EISEN
Die historische Eisenverarbeitung ist im Villgratental spärlich dokumentiert. Der heimische Handwerker Alfons Steidl hält diese Tradition jedoch am Leben. Als Dorfschmied widmet er sich den Reparaturen von Landmaschinen und Straßenschranken sowie der Restaurierung alter Schmiedearbeiten, als Kunstschmied gestaltet er Stiegengeländer, Lampen und Grabkreuze. Im Ortszentrum von Innervillgraten gelegen, hat sein Vater das Anwesen einst als Erbteil bekommen und auf derselben Parzelle 1947 eine neue, mit Strom betriebene Werkstatt samt Wohnhaus errichtet. Alfons Steidl erlernte das Handwerk von ihm und führt den Betrieb seit 1979. Aus der Familienchronik geht hervor, dass die Vorgeschichte ereignisreich ist und spätestens mit dem Sensenschmied Moritz Bergmann begann, der anno 1667 verstarb.
Über fünf Generationen war der Meisterbetrieb mit Hammerschmiede, Kohlhütte und zusätzlich einer Gerstenstampf und Mühlgerechtigkeit mit diesem Familiennamen verbunden. Peter Bergmann (1738-1806), der letzte in der Reihe, hatte keinen männlichen Nachfolger, durch die Hochzeit seiner Tochter Margareth mit dem Schmiedemeister Thomas Steidl (1788-1829) übernahm aber dieser Schwiegersohn den Betrieb im Jahr 1807. Alfons führt ihn mittlerweile in sechster Generation, wobei sich sein Großvater Josef Steidl (1868- 1927) weniger als Schmiedemeister denn als Gastwirt und Holzhändler sowie in der Landwirtschaft betätigte. Insgesamt hat das Schmiedehandwerk in der Talschaft aber eine mehr als 500jährige Tradition.
Schon in einem Urbar des Landgerichtes Heinfels aus dem Jahr 1463 ist zu entnehmen, dass Hanns Schmidhofer aus „Hinder Volgrattn [...] von ainer Schmitten und Hamerschlag“ Zinsabgaben leisten muss. Zu den wichtigsten Instanzen in einem alpinen Bergbauerndorf gehörte seit jeher der Dorfschmied (auch Hufschmied), ohne dessen Fertigkeiten der Kampf ums Überleben auf kargen Böden mit ungeschärften Klingen und kaputter Gerätschaft wohl verloren worden wäre. So nimmt es nicht Wunder, dass Sensenschmiede in Inner- und Außervillgraten schon vor 1600 explizit Erwähnung finden. Belegt ist mit Christan Müllmann, der 1591 von Jakob Niederhofer einen Teil des Kalchsteinhofes in Kalchstein um 390 Gulden erwarb, ein frühneuzeitlicher „Segensenschmid“ des Tales. Im Übergabsvertrag vom 21. November 1586 ist des Weiteren der halbe „Gusshof mit Hammerschmiede“ beschrieben. Zu nennen ist etwa auch der „erbar Maister Ezechiel Hochwalder“ aus Innervillgraten, der 1637 seinem Sohn Jakob die „freystifftliche Paumans Gerechtigkhait, der Hofstath und Hamerschmiten, Kolhüten, sowoll die Müll, und Stampf negst darbei, sambt den Wasser Auffang, und Niderfall, Wier, Werch, item Kolstath, und Kolgrueben“, inklusive das vorhandene „Schmidthantwerchzeug“ in der „Hanndtschmidten“ um 160 Gulden abtritt. Daneben gab es selbstverständlich auch Bauern, die sich als Schmiede betätigt haben. Der Beruf des Schmiedes steht paradigmatisch für die überragende Bedeutung von Schneid und Schärfe. Ohne diverse Schneidegeräte, ob Sense, Sichel, Säge oder andere scharfe Klingen und Messer, ist der Lebensalltag unvorstellbar und ganz einfach nicht zu bewältigen. Streng genommen zählt sogar die eiserne Pflugschar zu diesen Dingen, denn sie schneidet, beziehungsweise bricht das Erdreich auf. Oder es stünde das Leben ständig auf des Messers Schneide, wenn Lebensmittel nicht verarbeitet werden könnten. Zum Themenkreis gehört selbstredend die Kunstfertigkeit, ein schartiges Sensenblatt zu dengeln (Kaltschmiedeverfahren) oder ein stumpfes Messer zu wetzen.
Text Dr. Andreas Rauchegger